Zum Lebenslauf von Johannes Winkler
Über Johannes Winkler bestehen nach bisherigem Wissen vier Dokumente mit autobiografischen Informationen und eine Vielzahl biografischer Dokumente, die hier aufzuzählen kaum sinnvoll ist. Hervorzuheben ist jedoch die Biografie von Rudolf Guder 2002 mit dem Titel: „Astris – zu den Sternen, Der Raketenpionier Johannes Winkler, eine Biografie nach den Quellen“ im Selbstverlag.1 An dieser Stelle werden zunächst die autobiografischen Dokumente ausgewertet.
  • Information über den Vortragenden, die 1932 vor Beginn von Vorträgen verteilt wurde.
  • Autobiografie aus: „Männer der Rakete“ 1933 von Werner Brügel
  • Frowi – Gelehrte Unterhaltung 1934/35
  • Memoiren – Menschen im Weltall 1943

Die erste Autobiografie von Johannes Winkler stammt aus dem Jahr 1932. Sie wurde der Biografie von Rudolf Guder „Astris -zu den Sternen; Der Raketenpionier Johannes Winkler“; Seite 155/156 entnommen und hat folgenden Wortlaut:
„Zur Information:
Person des Vortragenden:
Johannes Winkler, geb. 29. 5. 97 zu Carlsruhe/Schles. Studium: Naturwissenschaften und Maschinenbau. Universitäten Breslau und Leipzig, Techn. Hochschulen Danzig und Breslau.
Mit Strahlmotorforschungen seit 1926 in Breslau, Dessau, Berlin, seit Herbst 1929 ausschl. mit der Entwicklung des Strahlmotors beschäftigt.

Der Strahlmotor:
Name für eine neue Wärmekraftmaschine, die im Gegensatz zum Kolbenmotor unmittelbar
durch den Strahl der Verbrennungsgase wirkt. Der Strahlmotor ist eine Reaktionsmaschine, seine Antriebswirkung beruht auf der Abschleuderung von Gasmolekülen mit großer Geschwindigkeit. Die besonderen Merkmale des Strahlmotors sind: der zwar kurze, aber sehr kräftige Antrieb, zum anderen die Fähigkeit, auch im leeren Raume Antrieb zu liefern. Als primitive Urform des Strahlmotors ist die Pulverrakete anzusehen. In den letzten 3 Jahren ist es gelungen, den mit flüssigen Betriebsstoffen arbeitenden Strahlmotor zu entwickeln.
Die Vorteile sind folgende: höherer Energiegehalt der Betriebsstoffe (Schwarzpulver 685 Kal. Methan/Sauerstoff 2600 Kal.).
Konstruktive Vorteile: Freiheit in der Anordnung der Teile, Beherrschbarkeit des Verbrennungs-Vorganges, Kühlung. Zehnmal billiger als Pulver. – Im Wesentlichen besteht der Strahlmotor aus dem Brennraum mit Expansionsdüse u. Einlassdüsen. Die Betriebsstoffe werden ihm aus den unter Druck stehenden Hochdruckbehältern durch Rohrleitungen mit Ventilen zugeführt. Durch Änderung der Einlassdüsenquerschnitte Iässt sich die Kraft beliebig regeln.

Versuchsergebnisse:
Der stetige Ablauf des Verbrennungsprozesses ist das wichtigste Ergebnis der Forschungsarbeit.

Prüfstandversuche:
Die Umwandlung der Verbrennungsenergie in nutzbare Arbeit erfolgt in der Expansionsdüse, der gemessene Nutzeffekt entspricht hier fast genau dem erwarteten. Der Impuls pro Kilo bleibt hinter dem theoretisch zu erwartenden zurück, die Verbesserung des Strahlmotors in dieser Beziehung bleibt weiter Gegenstand der Forschung.

Steigversuche:
Anfang 1931 war der Strahlmotor soweit entwickelt, dass er zum Antrieb raketenartiger Flugkörper benutzt werden konnte. Der neue Motor lieferte bereits einen Rückstoß gleich dem doppelten Apparategewicht einschl. Betriebsstoff. Erster bezeugter Aufstieg am 14.3.31 in Dessau. Die Erfahrungen dienten als Konstruktionsgrundlage für einen neuen größeren Apparat, welcher extrem leicht gebaut ist u. etwa einen Zentner Startgewicht hat.

Auswertung:
Der Aktionsradius der raketenartigen Flugkörper bleibt trotz größter Einzelleistung immer beschränkt. Extreme Leistungen lassen sich nur durch mehrere derartige Apparate, die entweder in geometrischer Progression größer werden (s. Oberth, Goddard) oder durch Zusammenfügung einer größeren Zahl gleichartiger Treibkörper (Methode Winkler) erreichen. Nach der Methode Winkler ist es möglich, für ganz extreme Leistungen den Betriebsstoffbedarf anzugeben, wenn die Leistung des Einzeltreibkörpers bekannt ist.

Forschungsmethode:
Die von Winkler entwickelte Formel für den zusammengesetzten Treibkörper ergibt die zweckmäßige Forschungsmethode:
1. Verminderung des Leergewichts des Einzelapparates
2. Erhöhung des Impulses pro Kilo Betriebsstoff
3. Vergrößerung des Rückstoßes im Vergleich zur Treibstoffladung.

Anschrift:
Anfragen wegen weiterer Informationen u. Veröffentlichungen an Johannes Winkler, Bln. Reinickendorf-West, Scharnweberstr. 108. Tel.: D.9.Reinickend. 4214 (mit Sicherheit nur vor 8 h morgens zu erreichen, oder durch Hansa 1619).

Ein etwas umfangreicherer Lebenslauf, der auch wieder mehr seiner technischen Tätigkeit gewidmet ist, wurde 1933 in dem Sammelband von Werner Brügel „Männer der Rakete“
entnommen. Rein technische Aussagen werden hier nicht aufgeführt, sondern erst in der Information über den Raketenbauer Johannes Winkler auf dieser WEB-SITE ausgewertet.
Die Selbstdarstellung beginnt auf Seite 100 mit seinem Heimatort Carlsruhe/Schlesien.

Auf Seite 101 schildert Johannes Winkler seinen Kriegsdienst, seine Verwundung und seine Universitätsausbildung, ohne näher auf sein Hauptfach Theologie einzugehen. Interessant ist, dass er weitgehend in dritter Person schreibt.

Die Selbstdarstellung wird auf der Seite 102 wie folgt in der „Ich“-Form fortgesetzt:

Soweit zu den autobiografischen Angaben von Johannes Winkler in dem Sammelband „Männer der Rakete“. Es folgen im Weiteren dann über mehrere Seiten Informationen über die Raketen HW 1 und HW 2.
Hervorzuheben ist, dass auf Seite 105 erstmals und eindeutig über die Betriebsstoffe flüssiges Methan und flüssiger Sauersoff informiert wird. Ein Treibgas hatte dort nichts zu suchen. Alle anderen Informationen darüber bezeugen daher nur eindeutig, dass die Literatur über Johannes Winkler nicht studiert wurde und man bis 2020 lieber der Sekundärliteratur von „Zeitzeugen“ gefolgt ist.

Das Verdienst von Rudolf Guder besteht 2002 unter anderem darin, dass er in der Biografie „Astris“, seiner Kindheit und Jugend und seiner theologischen Ausbildung einen breiten Raum widmet. Dadurch wird die energische Leistung von Johannes Winkler sehr transparent.
Die folgenden autobiografischen Dokumente haben die Gemeinsamkeit, dass Winkler seine autobiografischen Informationen verfremdet.

1934/35 schrieb er seine Einsichten, Überlegungen und Glaubensüberzeugungen in Form von Dialogen nieder und nannte das Werk „Frowi – Gelehrte Unterhaltungen“.

Die Gespräche werden an mehreren Abenden geführt und beinhalten etliche technische Darlegungen am ersten Abend, denen nachfolgend Dialoge über die Bewohnbarkeit anderer Welten, den Stern von Bethlehem, Handlesekunst usw. folgen. In der Biografie von Rudolf Guder umfasst die unvollständige Wiedergabe der gelehrten Unterhaltungen über 12 Seiten, die hier nicht wiedergegeben werden. Sie zeigen am Ende, dass Winkler zu dieser Zeit den Vorstellungen des „Führers“ zu r Schaffung einer einheitlichen Deutschen Kirche recht nahe stand.

Die Memoiren von Johannes Winkler 1943/44

Die „Memoiren“ von Winkler, die er 1943/44 nach seinem ersten Schlaganfall schrieb, tragen im Untertitel den Zusatz „Menschen im Weltraum“ und wurden 1984 von Elisabeth Guder, geborene Winkler und Rudolf Guder veröffentlicht. Beigefügt ist die Winkler-Biografie von Karl-Heinz Ingenhaag. Alle folgenden Informationen lagen also seither zur Einsichtnahme vor und wurden diesen Memoiren entnommen. Abweichungen davon hätten gut begründet werden müssen.-
Die Memoiren sind in zwei Teile unterteilt. Im ersten Teil beschreibt Winkler sein Leben bis zum missglückten Start der HW 2 im Jahre 1932 und im zweiten Teil schildert er seine Vision des weiteren Lebens. Die „Memoiren“ von Johannes Winkler umfassen 66 Seiten und können an dieser Stelle nicht ausgewertet werden. Enthalten ist die seine Bekanntschaft mit den Büchern von Oberth, Hohmann und Valier, aus denen der Wunsch entstand, sich in diese Kulturidee einzuschalten (Seite 17).

Auf den folgenden 9 Seiten informiert Winkler über folgende biografische Episoden:
  • Aus dem Zusammentreffen mit Max Valier in Breslau ergab sich die Möglichkeit der Umbenennung der „Deutschen Jugendzeitung“ in die Zeitschrift „Die Rakete“. Am 7.7.1927 gründete Johannes Winkler den „Verein für Raumschifffahrt“. Beiträge über Experimente lieferte aber nur er. All die damit verbundenen Aufgaben erledigte er nebenberuflich. Doch die finanziellen Probleme der Zeitschrift wuchsen.
  • Parallel unterlief ihm im Beruf ein verhängnisvoller Fehler, so dass in der Kasse ein Fehlbetrag von 600 M entstand. Die Ursache dafür war aber eine Falschbuchung.
  • Winkler hatte jedoch einen Weg gefunden, seine finanziellen Probleme zeitweilig zu klären, die aber immer mehr anwuchsen. Er gestand die Probleme seiner Frau, die Zeitschrift wurde eingestellt und die Vereinsarbeit wurde abgegeben.
  • Er konnte dann bei einem bekannten Flugzeugwerk eintreten, erhielt aber nur das halbe Gehalt und verlor seine Pensionsberechtigung.
  • Durch beharrliche Arbeit konnte er am 6.3.1930 erstmals einen geregelten Ablauf des Antriebes erreichen. Eine Anwendungsmöglichkeit ergab sich durch die mögliche Nutzung als Starthilfe für Wasserflugzeuge.
  • Für den direkten Weg zum Weltraumschiff fand er Unterstützung durch eine befreundete Seite, nahm eine Scheinkündigung durch das Flugzeugwerk nicht an und erhielt von der befreundeten Seite regelmäßig einen Geldbetrag.
  • Seine Untersuchungen führte er in Dessau in der Kochstedter Straße durch und er konnte am 14.3.1931 einen ersten störungsfreien Start durchführen. Danach wurden weitere Aufstiege mit verbesserter aerodynamischer Form vorgenommen. Als Betriebsstoff dienten flüssiger Sauerstoff und flüssiges Methan. Auch der 10mal größere Apparat wurde damit betrieben. Zur Erprobung wurde ein Gelände in Berlin ausfindig gemacht und im Sommer 1932 konnte die Fahrt zum Startgelände auf dem Greifswalder Oie angetreten werden. Doch dann kam die Weisung, den Raketenstart auf der Frischen Nehrung durchzuführen.
  • Der Startversuch misslang jedoch, weil sich Methanknallgas gebildet hatte, obwohl vorher die Zwischenräume in der Rakete vorher mit Stickstoff durchgeblasen wurde. Die Zerstörungen waren so stark, dass die Heimreise angetreten werden musste. Doch eine neue Versuchsreihe konnte aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt werden.
  • Winkler musste sich beim Arbeitsamt melden! Er war zwar arbeitslos, aber nicht beschäftigungslos. Er nutzte die Zeit, um in seiner Schrift „Der Strahlmotor“ seine Erfahrungen niederzuschreiben. Er erhielt auch Angebote von ausländischen Ministerien, doch wandte sich die Firma Junkers offenbar auf Weisung des Ministeriums an ihn und er konnte bei wesentlich besseren Bedingungen die Arbeit wieder aufnehmen.
  • Das Eheglück hatte keinen Schaden genommen. Zwei niedliche Kinder wuchsen heran und sie bewohnten ein kleines Einfamilienhaus in Dessau unweit der Elbe.
  • Winkler erzielte erhebliche Fortschritte. Es tauchten große Projekte auf und die Weltraumfahrt wurde sogar in einem Bericht gestreift.
  • Durch den Ausbruch des Krieges wurden die Aufgaben der Industrie gestrafft und die Arbeiten am Strahlantrieb bei Junkers wurden unterbrochen. Da er inhaltlich bei dem Strahlantrieb bleiben wollte, verlegte er seine Arbeit 1939 nach Braunschweig zur Luftfahrtforschungsanstalt.
  • Mit 46 Jahren erlitt Johannes Winkler einen leichten Schlaganfall, dessen Folgen wieder zurückgegangen sind. Er hat sich damit abgefunden, dass er die Weltraumfahrt selbst wird nicht machen können. Die Entwicklung wird auch ohne ihn weitergehen.
Bemerkungen des Autors zu den Memoiren:

Die recherchierten Dokumente haben im Wesentlichen seine vorhergehenden Schilderungen und die überlieferten Daten bestätigt. Allerdings konnten zu einzelnen Fragen keine Bestätigungen gefunden werden. Andererseits verschwieg er einige Details z. B. über seine politischen Aktivitäten. Hierzu veröffentlichte Rudolf Guder 2002 interessante Informationen. Was die Ergebnisse seiner Arbeit betrifft, konnten etliche Versuchsprotokolle aus der Zeit von 1933 bis zu seinem Umzug 1939 ausgewertet werden.
Auch über seine Forschungstätigkeit in Braunschweig liegen Details vor, die jedoch kein Gesamtbild ergeben.
Nach 1945 legte Johannes Winkler sein technisches Vermächtnis in zwei Berichten an die britischen Behörden nieder, die durch die Technische Hochschule Coburg ausgewertet wurden.
Johannes Winkler starb am 27.12.1947 in Braunschweig, wo er und seine Frau auch ihre letzte Ruhe fanden.

Die Grabstätte von Johannes Winkler und Frau in Braunschweig-Querum

Quelle der Fotos: Autor

Anmerkungen

1. Karl-Heinz Ingenhaag veröffentlichte 1981 in der Luft- und Raumfahrt 1 eine Kurzbiografie, die jedoch an einigen Stellen fehlerhaft gewesen war. Richtig gibt er die Daten zur HW 1 wieder, doch verlagert er z. B. den Bau der HW 2 nach Berlin. Diese wurde aber in Dessau hergestellt. Leider fanden auch keine 20 Prüfstandsversuche statt. Er verweist zurecht auf Brügel und der dortigen Aussagen zur Bündelung, reduziert ihn dann aber wieder auf das 10-t-Triebwerk. In seiner abschließenden Würdigung verweist er aber auf die geschickte mathematische Form der Darlegung der Bündelung.

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