Johannes Winkler und seine Unterstützer und Mitarbeiter

Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Johannes Winkler als Herausgeber der Zeitschrift „Die Rakete“ und Vorsitzender des Vereins für Raumschifffahrt einen bemerkenswert großen Bekanntenkreis unter den Raketenkollegen und Freunden der Raumfahrt hatte. Ein Beleg für diese These ist der umfangreiche Briefwechsel von Winkler mit Raketenfreunden und Raketenpionieren in Europa.
Im Gegensatz zu Rudolf Nebel, der sich sogar schwer getan hat, über den Beginn seiner Zusammenarbeit mit Klaus Riedel zu berichten, offenbar auch Mitarbeiter auf dem Raketenflugplatz verschwieg und sogar noch in den 1950er Jahren sich nicht überwinden konnte, über die Leistungen seiner Raketenkollegen objektiv zu berichten, legte Johannes Winkler von Anfang an großen Wert auf die Würdigung der Leistungen seiner Unterstützer und Mitarbeiter.

Im September-Heft 1928 dementiert Winkler eingangs einer Pressenotiz, in der behauptet wird, dass der VfR Raketenversuche mit flüssiger Luft vornimmt. Richtig wäre allerdings, dass ein Vorstandsmitglied des VfR (Winkler) mit Hilfe der Firma Autobauer, Breslau-Carlowitz Versuche für eine Rakete für flüssige Triebstoffe vornimmt, die mit flüssigem Sauerstoff betrieben wird. Winkler sagt nähere Informationen „zur gegebenen Zeit“ zu. Auf dem Deckblatt ist ein Foto platziert, das Winkler bei der Arbeit zeigt.

Im gleichen Heft erwähnt er nicht nur den Namen des Schaustellers, bei dem er Andruckversuche machten konnte, sondern veröffentlicht auch den Namen der Firma und ein Foto dazu.

Aus seiner Breslauer Zeit ist auch bekannt, dass er mit Billigung des Rektors der Technischen Hochschule Versuche im Maschinenlabor machen konnte. Aus dieser Zeit ist außerdem bekannt, dass er in der „Sternwarte“ Vorträge gehalten hat. Unterstützer dafür nannte er nicht.
Überliefert ist aber ein Brief vom Leiter des Breslauer Modell- und Segelflug-Verein „Schlesischer Adler“ e.V. von 1927, der davon zeugt, dass er mit ihm auf guten Fuß stand (Siehe Band 3).
Sein Bestreben, diejenigen zu benennen, die mit ihm gearbeitet haben, setzt sich auch in seiner Dessauer Zeit fort. So sind nicht nur die Namen seiner Helfer beim Bau der HW 1 und HW 2 bekannt, sondern auch ein Foto hat die Jahrzehnte überdauert und wurde von Horst Körner 1960 veröffentlicht.

Aus dem Briefwechsel Winkler/Hückel ist außerdem seine besondere Wertschätzung für R. Baumann bekannt, den er mehrfach für seine verständnisvolle Arbeit gegenüber Hückel erwähnt. Am 24.9.1931 schreibt deshalb Hückel an Winkler:
„Ich danke Ihnen bestens für die beiden Lichtbilder. Der Eindruck den ich von Baumann durch sein Bildnis gewinne, bestätigt Ihre günstigen Schilderungen seiner Leistungen. Es ist zweifellos von ganz beträchtlichem Wert einen fähigen Mechaniker als Mitarbeiter zu haben. Die Rakete selber sieht sehr gefällig aus und ich glaube, daß wir im allgemeinen Aufbau diesmal das Richtige getroffen haben.“
Der Arbeitsbesuch von Richard Baumann in Berlin ist auch durch einen Briefumschlag vom 10.5.1932 aus dem Deutschen Museum München belegt, der später im Buch (on Demand) zu sehen sein wird.
Von wesentlicher Bedeutung für die erfolgreiche Arbeit von Johannes Winkler war selbstredend sein gutes Verhältnis zu Philipp von Doepp und Hugo A. Hückel. An dieser Stelle sollen zunächst Informationen über Philipp von Doepp folgen.

Biografische Informationen über Philipp von Doepp und sein Verhältnis zu Johannes Winkler

Anlässlich seines Todes am 21.10.1967 erschien in den „Junkers Nachrichten“ ein Artikel von August Lichte, der hier teilweise wiedergegeben werden soll:

Der Nachruf für Philipp von Doepp hatte folgenden Wortlaut:

1910-1912 Privatassistent von Prof. Junkers in Aachen

Leiter der Abteilung Strömungstechnik in der Forschungsanstalt

Die Forschungsanstalt wurde jedoch 1936 aufgelöst, wie das Organigramm der JFM 1936 zeigt.

Lorenz veröffentlichte im Internet zu Philipp von Doepp folgende Angaben:

Dipl.-Ing. Philipp von Doepp (8.5.1885) studierte Elektroingenieurwesen in St. Petersburg. Kam 1910 nach Aachen in die Forschungsanstalt von Prof. Junkers. Ab 1919 leitete er den Junkers-Windkanal bis zum Kriegsende 1945. Laut Prof. Erich Truckenbrodt war von Doepp ein gewissenhafter, fast schon pedantischer Forscher. Unter Doepp arbeiteten u.a. Dr. Kuno Strauss, Kurt Palitzsch, Otto Everling, Werner Hempel, Paul Jaensch (alle 1946 in UdSSR) und Otto Frenzl (WK 900). Nach 1945 ging Doepp in die USA.

Diesen beiden Lebensläufen können aus Sicht von Johannes Winkler weitere Episoden hinzugefügt werden.

Philipp von Doepp war derjenige, der vermutlich durch die Verfolgung der Fachliteratur, darunter der Zeitschrift „Die Rakete“ auf Winkler aufmerksam geworden ist und an ihn geschrieben hat.
Die Kontaktaufnahme zwischen den Junkers-Werken und Winkler ging offensichtlich von Philipp von Doepp am 10.9.1929 aus, wie ein Brief vom 15.9.1929 deutlich macht.
Das Interesse der Forschungsanstalt „Prof. Junkers“ an Winkler ging so weit, dass Philipp von Doepp sogar zur Finanzierung des Umzuges 1.000 RM bei einer Dessauer Bank für ein Darlehen hinterlegte.
Johannes Winkler trug sich von Anfang an mit dem Gedanken an die Gründung einer eigenen Firma, da sein Gehalt unter dem seiner Frau lag und er keine eigenen Patente anmelden durfte. Dazu liegen mehrere Briefe zwischen ihm und Hugo A. Hückel vor. Den letzten Ausschlag für seine Entscheidung, in eine AG mit Hugo A. Hückel einzutreten, war die Scheinkündigung vom 24.12.1930 und dann der Vorschlag zur Gehaltsneuregelung vom 27.1.1931.
Dr. Mader und Philipp von Doepp erklären sich darin bereit, Johannes Winkler ab dem 1.4.1931 ein Gehalt von 331 RM zu zahlen. Sie erwarteten dafür sein Einverständnis bis zum 3.2.1931.
Wie bekannt, ging Winkler darauf nicht ein, sondern forcierte sein Bestreben, in eine AG mit Hugo A. Hückel einzutreten.

Die erste Überweisung für die Tätigkeit von Winkler in der Arbeitsgruppe mit Hückel erfolgte am 18.7.1930. Das vorläufige Ende der Arbeit bei Junkers war der 7.3.1931.1 Johannes Winkler übernahm in dieser Zeit im Interesse der Sache gerne die doppelte Belastung, die jedoch an seiner Gesundheit zehrte.2 – Bereits im August 1931 berichtet Philipp von Doepp (v.Dp.) auf Veranlassung von Prof. Junkers wieder über die Versuche mit den Rückstoßern, worüber im Buch (On Demand) näher eingegangen wird. Philipp von Doepp gibt über das Hauptbüro Prof. Junkers folgende Auskünfte:
  • Für Riesenflugzeuge sind Rückstoßer unbedingt notwendig. Die Arbeiten könnten bei den Junkers-Werken oder in einer Außenstelle „Winkler“ gemacht werden.
  • Zu einer eingehenden Beurteilung wäre eine neue Rücksprache mit Dr. Löwenstein erwünscht.

Auf der Aktennotiz vermerkte Prof. Junkers:
„1. Ist W. (inkler) freiwillig ausgetreten oder ist ihm gekündigt worden?
2) Welches waren in dem betreffenden Fall die inneren Gründe des Austritts?“

Philipp von Doepp antwortet wieder über das Hauptbüro am 24.9.1931:
  • Herr Winkler ist freiwillig ausgetreten, nachdem ihm Herr Philipp von Doepp untersagt hat, dass er seine privaten Versuche der Öffentlichkeit vorführt.
  • Er kündigte, da ein anderer Geldgeber ihm ein höheres Gehalt geboten hat. Er wurde aber erst nach der Beendigung seiner Arbeit entlassen.
  • Die Raketenversuche könnten weitergeführt werden durch a) die Weiterführung im Kanalstrom (600 RM im Monat) bzw. b) in Zusammenarbeit mit dem RWM und c) einen Auftrag an Herrn Winkler und Übernahme gegen einen Abschlag.

Der Vermerk von Prof. Junkers auf der Aktennotiz lautet:
„Das Geld könnte heute z. Zt. für andere Zwecke verwendet werden.“

Über die Wiederaufnahme des Briefwechsels zwischen Johannes Winkler und Philipp von Doepp im Juni 1932 liegt folgender Briefwechsel vor, der auch von W. Both untersucht wurde:
Dazu liegt der Brief vom 6.6.1932 an Winkler vor, aus dem die Einordnung der Versuche von Winkler hervorgeht: Winkler hatte an ihn 30.5.1932 einen Brief gesendet, den dann seinen Weg zu Klaus Junkers gegangen war.
Der Brief endet mit einer Einladung von Johannes Winkler zu einem privaten Gespräch!
Winkler bedankt sich am 30.6.1932 bei Herrn von Doepp über ein Schreiben von 28.5.(!) 1932. Winkler hätte mit Hückel über eine Wiederaufnahme der Arbeit bei den Junkers-Werken gesprochen. Er würde es ihm nicht „Übelnehmen“, wenn er zurückkehren würde.
Aufschlussreich ist die folgende Postkarte vom 8.7.1932, da einen Monat später ein erneuter Bericht von Philipp von Doepp über den Flugzeugjäger mit Rückstoßerantrieb bei Prof. Junkers vorliegt. Auf der Postkarte steht der 10.7.1932 11 Uhr als Termin für einen Besuch.
Leider liegt kein Beleg darüber vor, worüber Johannes Winkler und Herr von Doepp am 8.7.1932 gesprochen haben.

Aus zahlreichen Dokumenten geht außerdem hervor, dass Winkler der Abteilung Strömungstechnik unter Philipp von Doepp zugeordnet war. Am 11.7.1932 informiert Winkler brieflich über die Höhe seines gesamten finanziellen Einsatzes mit 58.000 RM und seiner verzinslichen Verpflichtungen mit 22.000 RM.3 Der weitere Schriftverkehr kann dem internen Schriftverkehr zur Rückstoßerfrage entnommen werden.

Vom August 1932 liegt aber ein erneuter Bericht, verfasst von Philipp von Doepp Prof. Junkers vor!

Die Diskussion der behandelten Vorlagen führte offenbar zu der Entscheidung, dass massiv an einem Flugzeugjäger zu arbeiten ist. In dem achtseitigen Material vom 4.8.1932 mit dem Titel „Der Flugzeugjäger mit Rückstoßerantrieb“ entwickelt Philipp von Doepp zu dieser Frage grundsätzliche Gedanken, die hier aber ausgespart werden.
Nach dem misslungenen Start der HW 2 auf der Frischen Nehrung nimmt Winkler am 20.10.1932 wieder Verbindung zu Hückel auf und schreibt:
„Meine Verhandlungen mit Junkers sind noch nicht recht weitergekommen. Herr von Doepp unterlag zunächst auch der allgemeinen Depression in der Tagespresse und war nicht wenig erstaunt, dass alles in Wirklichkeit so ganz anders lag, besonders betr. Hinzuziehung der Öffentlichkeit zu den Versuchen. Ich habe ihm einen Versuchsbericht übergeben und für den „Anhalter Anzeiger“ einen Artikel geschrieben, der die Sache in einem ganz anderen Lichte zeigt. Was gedruckt steht, wird ganz anders bewertet. Der Artikel wird wohl morgen erscheinen, außerdem läuft in dieser Woche ab morgen die Ufa Woche Nr. 110. Auch den Zeitungsausschnitt von der DAZ habe ich Herrn von Doepp zugesandt. Ein geglückter Start würde natürlich sehr zur Erteilung des Entwicklungsauftrages beigetragen haben. Hoffentlich zieht sich die Sache nicht zu sehr in die Länge.“

Fast ein Jahr später, am 23.8.1933 schreibt Winkler voller Erleichterung an Hückel:
„Ich bin seit Mitte des Monats wieder bei den Junkers-Werken für die Rückstoßerfrage tätig. Leider war es nicht möglich, von den Werken einen größeren Betrag vorweg zu erhalten. Durch den Abbruch der Arbeiten an der Höhenrakete in einem propagandistisch denkbar ungünstigen Augenblick, sah ich leider gar keine Chance, mit Erfolg Bedingungen zu stellen und musste schließlich froh sein, überhaupt wieder in die Arbeit endlich hineinzukommen. Ich kann daher den Betrag für die Anhalt – Dessauische Landesbank nur langsam von meinem Einkommen amortisieren.“
Hückel antwortet am 29.8.1933. Er schreibt unter anderem:
„Vor allem möchte ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass es Ihnen jetzt wieder möglich ist, an Ihrem Spezialgebiet zu arbeiten und ich zweifele nicht, dass Ihnen, wenn Ihnen nur hinreichend Zeit und Mittel zur Verfügung stehen, auch ein Erfolg beschieden sein wird.“
Winkler antwortet ihm am 2.10.1933 wie folgt:
„Da mir jetzt für die Rückstoßerarbeiten drei Mechaniker voll bewilligt sind, gute Maschinen, Material u. Instrumente zur Verfügung stehen, gehen die Arbeiten etwa dreimal rascher vorwärts, wir werden wohl noch im Oktober zum ersten Brennversuch mit großer Leistung kommen.“

Quelle: Budraß, Lutz; Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutschland 1918 – 1945; Droste Verlag 1998

Unter Prof. Mader arbeiteten jetzt die Patentabteilung, das Konstruktionsbüro Motoren, die Werkstoffforschung, der Versuchsbau und der Entwicklungsprüfstand von Prof. Mader selbst. Winkler wechselt in die Luftforschungsanstalt nach Braunschweig 1939, um weiter an dem Problem der Raketenantriebe zu forschen. Aus den folgenden Schreiben vom 24.4.1941 geht hervor, dass
  • Philipp von Doepp jetzt zum Flugzeugbau gehörte und
  • Philipp von Doepp auch derjenige war, der Winkler seine Unterlagen nach Braunschweig nachgeschickt hat.

Es besteht die Absicht, im Rahmen des Buches (on Demand) nochmals auf die engen Beziehungen zwischen Philipp von Doepp und Johannes Winkler auf der Grundlage der verfügbaren Belege einzugehen.

Anmerkungen
1 Am damaligen Startplatz der HW 1 befindet sich heute ein Gedenkstein.
2 Rudolf Guder zitiert dazu Horst Körner in „Astris“ auf Seite 96f
3 Siehe auch unter Rudolf Guder, „Astris – Zu den Sternen, Der Raketenpionier Johannes Winkler“, Eine Biografie nach den Quellen; Seite 150

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